Energy Harvesting: Eine realistische Alternative in Zeiten der Energiekrise?
In Zeiten, in denen die Energiekrise immer präsenter wird, stellt sich die Frage nach Alternativen zur herkömmlichen Energieversorgung. Eine vielversprechende Möglichkeit ist Energy Harvesting – die Gewinnung von Energie aus der Umgebung. Doch wie realistisch ist diese Technologie wirklich? Kann sie tatsächlich dazu beitragen, den Bedarf an fossilen Brennstoffen zu reduzieren und somit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten?
Energy Harvesting, also das Ernten von Umwelt- und Umgebungsenergie, ist keine neue Erfindung – erlebt aber in Zeiten von Energieknappheit und Inflation einen neuen Aufschwung. Fossile Brennstoffe sind rar und teuer geworden. Der Grund: Diese gespeicherte Form von Energie ist nur begrenzt verfügbar. Restenergien bereits vorhandener Energiequellen aus der Umwelt scheinen die Mittel der Wahl zu sein. Sie versprechen neben einer weniger abhängigen und konstanten Energieverfügbarkeit auch positive Auswirkungen auf den Planeten.
In welchen Bereichen findet die Methodik bereits Anwendung? Wo liegt das Potenzial? Und: Welche Herausforderungen erwarten die Industrie? Dieser Magazinbeitrag liefert die Antworten.
Was ist mit Energy Harvesting gemeint?
Unter der Bezeichnung Energy Harvesting versteht man die Gewinnung von elektrischer Energie in kleinen Mengen als Nebenprodukt der Nutzung von bereits vorhanden Energiequellen aus der Umwelt. Die klassischen Beispiele dafür, woraus diese Energie gewonnen werden kann, sind Lichteinstrahlungen, Abwärme und Umgebungstemperatur. Auch Bewegungsenergie aus Luftströmungen und Vibrationen gehören zu diesem Spektrum. Besonders im Sinne der Loslösung von externen oder kabelgebundenen Stromversorgungen (Drahtlostechnologien) erscheint Energy Harvesting (EH) vielversprechend. Die Energierückgewinnung aus der Verwendung bereits bestehender Quellen mindert zudem die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen oder anderen begrenzten Ressourcen.
Formen der Energieumwandlung bei Energy Harvesting
Die Wandlungs-Methodik, die Energie aus der Umgebung in Elektrizität umwandelt und Elektronik mit Strom versorgt, kommt in vielen Gebieten zum Einsatz:
Photovoltaische Umwandlung
Energiegewinnung aus Solarpaneelen zählt wohl zu den bekanntesten und am besten etablierten Anwendungsbereichen von Energy Harvesting. Dabei wird auf den photoelektrischen Effekt zurückgegriffen: Elektrische Energie wird aus der Umgebungsbeleuchtung generiert. Die Photovoltaik wird bereits für unzählige alltägliche Anwendungsbereiche genutzt. Solarzellen, Beleuchtungslösungen oder Wasserpumpen sind nur einige Beispiele.
Piezoelektrische Umwandlung
Mechanischer Druck oder Vibration, also Krafteinwirkung, sorgt beim piezoelektrischen Effekt für die Entstehung von elektrischer Energie. Die bekannteste Anwendung dieses Mechanismus besteht in Piezozündern. Dabei wird die mechanische Energie auf einen Schalter oder Auslöser ausgeübt, was wiederum durch einen Funken zu einer gewünschten Reaktion führt. Die Anwendungsfelder reichen von der Ultraschallmedizin über Belastungsmessungen mittels piezoelektrischer Sensoren bis hin zur Automobilelektronik.
Thermoelektrische Umwandlung
Temperaturdifferenzen sorgen für elektrische Spannung, und diese generiert in weiterer Folge Strom. Diese Form der Wandlung nutzt etwa die Abwärme von Motoren oder Prozessanlagen und führt zu einer Verbesserung der Energieeffizienz. Die Methode kann aber ebenso für die Überwachung von Systemen angewandt werden. Thermoelektrische Sensoren senden beim Erreichen einer Wärmeüber- und -untergrenze Signale. Diese Warnhinweise tragen zum Schutz diverser Geräte und Maschinen bei.
Elektromagnetische Umwandlung
Dieses Phänomen tritt bei Bewegungen oder Unterschieden in der Stromstärke in elektromagnetischen Feldern auf. Auch elektromagnetische Wellen (Radiofrequenz-Signale) von Mobilfunkmasten, WLAN-Routern und Bluetooth-Geräten können für das Energy Harvesting genutzt werden. Mit Hilfe einer Antenne werden die Signale empfangen und versorgen sodann Geräte des Internet of Things (IoT) mit Strom – laden beispielsweise leere Batterien wieder auf.
Potenziale und Chancen von Energy Harvesting
- Entlastung der Umwelt
Betrachtet man das Konzept von Energy Harvesting von einem ökologischen Standpunkt aus, lassen sich durchaus Vorteile erkennen. Die Nutzung von Energie, die bereits durch andere Prozesse entstanden ist, sowie die Energiegewinnung aus unbegrenzten oder nachwachsenden Umweltressourcen führt zu einem geringeren Ausstoß von Treibhausgasen und somit zu einer verminderten Belastung des Ökosystems. Langfristig gesehen reduziert jede alternative Energiequelle – bei ausreichender Effizienz – auch die Abhängigkeit von teuer und rar gewordenen fossilen Brennstoffen. - Erhöhte Autarkie für Gerätes des IoT
Batterie- und Akkuaufladungen sind noch immer eine kostspielige Angelegenheit. Gerade im IoTnimmt die Aufrechterhaltung der Energiezufuhr besonders viel Zeit in Anspruch. Viele batterie- oder akkubetriebene Maschinen müssen an Orten funktionieren, an denen beispielsweise keine zuverlässige Stromversorgung gegeben ist. Sobald die Lademenge an Energie zu Ende geht, muss sie manuell erneuert werden – das verursacht hohe, vermeidbare Kosten. Durch Energy Harvesting können sich die Funktionszeiten von Geräten verlängern, da die Energie konstant aus der direkten Umwelt zugeführt wird.
Herausforderungen und Risiken von Energie Harvesting
- Komplexität des Einsatzbereichs
Äußere Faktoren wie intensive, sprunghafte Wetter- und Temperaturschwankungen nehmen starken Einfluss auf die Effizienz und Performance der Systeme. Das erfordert eine besonders robuste Konstruktion relevanter Anlagen und Gerätschaften. Durch unvorhergesehene Veränderungen kann es auch zu einer abweichenden Verfügbarkeit der Umgebungsenergie kommen. Nur mit besonders ökonomisch ausgelegten Systemen gelingt es, trotz dieser Schwankungen konstant genügend Energie zu erzeugen. - Spezielle Anforderungen
Neben den Umweltfaktoren birgt auch der jeweilige Anwendungsbereich unterschiedlichste Herausforderungen. Bei der M2M-Kommunikation (M2M = Machine to Machine) kommt es beispielsweise beim Senden und Empfangen immer wieder zu einem sprunghaften Anstieg im Energieverbrauch. Der Energiebedarf ist somit nicht konstant. Wird ein solches System mit Strom aus Energy Harvesting gespeist, muss sichergestellt sein, dass auch zu den Verbrauchsspitzen immer ausreichend Energie vorhanden ist. - Kompatibilität und Integration
In den meisten Fällen wird EH nicht schon bei der Grundentstehung eines Systems berücksichtigt, sondern erst nachträglich integriert. Die Ergänzung hinterher wirft allerdings oft neue Probleme auf, da unterschiedliche Technologien und Betriebsweisen aufeinanderstoßen. Stichwort: Kompatibilität! - Kosteneffizienz und Wirtschaftlichkeit
Energy Harvesting stellt keine Universallösung dar und erfordert meist individuelle Technologien, um in den jeweiligen Anwendungsbereichen erfolgreich zu funktionieren. Zudem besitzt die umgewandelte Energie oftmals nur einen sehr geringen Wirkungsgrad. Das führt meist vor allem zu hohen Kosten. Die Komplexität der Prozesse erfordert spezielles Expertenwissen, und sind die Systeme erst einmal in Betrieb, müssen sie hohe Erwartungen erfüllen können.
Die Zukunft des Energy Harvesting
Die Energiekrise lässt sich allein durch Energy Harvesting durch die geringe Wirtschaftlichkeit der Methodik zurzeit noch nicht bewältigen. Viele der Kontrapunkte kennen wir bereits aus der Welt des Smart Living samt Smart Devices und Smart Buildings. Sicher ist aber: Die Entwicklung von energieerntenden Prozessen ist eine wichtige Stellschraube, um die Energieversorgung in Zeiten von Engpässen in einzelnen Anwendungsfällen abzusichern.
Das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie die konkreten Anforderungen im gewünschten Einsatzbereich bleiben wichtige Faktoren, die es in Hinblick auf Energy Harvesting abzuwägen gilt.